Das große LUST-Interview

"Humor für ein leichteres Leben"

 Lars Reichow über sein neues Programm „Lust“

 

Nach Ihrem letzten Programm „Freiheit“ geht es im neuen um „Lust“. Überlegt man sich so einen Titel am Schreibtisch oder im Bett?

 

Im Schwimmbad. Die besten Ideen habe ich immer unter Wasser. Mir war zunächst einmal sehr wichtig, das Ganze nicht „Männer fahren Auto, Frauen lieber nicht.“ zu nennen. Ich wollte ein Programm machen, in dem sich auch Frauen wohlfühlen. Kein Gefühl ist verschwenderischer, vermutlich deswegen auch vergänglicher als die Lust. Wir wollen die Lust, wir warten auf sie, dann kommt sie nicht, wir wenden uns schon dem Haushalt zu, und dann – plötzlich und unerwartet, ohne zu klingeln – ist sie da: Die unkomplizierte Schwester der Liebe: Nackte Begierde, ein Sturm der Gefühle, ein unkontrollierter Rausch, eine Explosion ...

 

Wow, und so geht das den ganzen Abend?

 

Nein, so beginnt der Abend. Mit Lust. Mit einem Höhepunkt. Wenn ich mir einen Programmtitel überlege, dann sollte dieser Titel auch ein paar Jahre frisch bleiben, um das Publikum ins Theater zu locken. Wir leben in einer sehnsüchtigen, lustbetonten Zeit verwirrter Gefühle. Das ist auch gut so, aber manche Leute haben einfach ein Rad ab; ich erzähle z.B. von Tierbesitzern, die es stark übertreiben, ich erzähle von meiner Mutter, die unbedingt ein Smartphone wollte, aber jetzt immer nur aus Versehen Fotos von ihrem Knie macht.

Aber „Lust“ ist auch ein politisches Programm. Ich knöpfe mir alle Parteien vor, alle testosterongesteuerten Herrscher dieser Welt – mein special guest ist der US-Präsident. Für den hab ich was ganz Besonderes.

 

Apropos Trump. Wird in „Lust“ auch gelogen?

 

Nein, nur die üblichen Übertreibungen. Im Kabarett muss man immer ein bisschen weiter drehen, damit es nicht langweilig wird. Aber grundsätzlich ist z.B. die Lügerei, das bewusste Manipulieren der Fakten, ein ernstes Thema. Eine Gesellschaft, die Lüge und Wahrheit nicht mehr auseinander halten kann, wird daran zugrunde gehen.

 

Stimmt es, dass Sie auch als Priester auf die Bühne kommen?

 

Pscht! Das soll eine Überraschung werden. (flüstert) Ja, im zweiten Teil komme ich als Kardinal und rede über ... (flüstert unverständlich)

 

Wie bitte? Ich kann Sie nicht verstehen.

 

(laut) Ja, also die Katholiken, vor denen ich das Programm gespielt habe, die konnten alle sehr darüber lachen. Bis auf einen, aber der war wohl neidisch, weil er’s nur zum Bischof gebracht hatte.

 

Sie stehen jetzt seit über 20 Jahren auf der Bühne, wirken aber immer hellwach und quicklebendig. Woher kommt die Leidenschaft, die Motivation?

 

(tut so, als ob er gerade aufwacht) Was, wie bitte?

Also ich vermute, dass mein Beruf zu den schönsten überhaupt gehört. Früher haben mich viele – vor allem meine besorgte Oma – oft gefragt: „Kannst du denn davon leben?“ – Obwohl ich damals noch nicht ganz sicher war, konnte ich es schon fühlen: Ja, hab ich zu ihr gesagt. Und wie!!! Und wie man davon leben kann!

Ich habe den schönsten Beruf überhaupt. Die Begeisterung, die mich antreibt, die springt über ins Publikum und von da aus wieder zu mir. Auf der Bühne bin ich ein glücklicher Mensch. Niemand unterbricht mich, keiner ruft an. Ganz ehrlich: Für mich gibt es nichts Besseres, als Menschen zum Mitdenken, zum Lachen, zum Weinen und zum Nachdenken zu bringen.

 

Anfang des Jahres wurden Sie mit dem hessischen "Courage-Orden" geehrt, weil Sie auf der Bühne "immer wieder aufs Neue couragiert Missstände in Politik und Gesellschaft" aufgreifen und Haltung zeigen.

Was bedeutet für Sie persönlich der Begriff „Courage“?

 

Courage hat mit Mut zu tun. Es ist nicht besonders mutig, für einen Fußballverein zu jubeln, wenn man in der eigenen Fankurve steht. Aber es wäre dumm, sich mutig mit dem Schal in die gegnerische Kurve reinzustellen.

Man muss sich vor dem Spiel überlegen, zu wem man hält. Ich stelle mich als Künstler vor ein Publikum und versuche es, von meiner Einstellung zu den Dingen zu überzeugen. Alles, was ungerecht, böse und charakterlos ist, muss raus. Ich kämpfe gegen Rassismus, gegen übertriebenen Nationalismus. Für eine Menschlichkeit, die wir uns locker leisten können in Deutschland.

Aber vor allem will ich schöne Geschichten erzählen. Verrückte Geschichten, in denen ich auch selbst doof da stehe. Humor ist ein Schlüssel zum leichteren Leben. Und Menschen, die lachen, sind immer friedlich. Und übrigens meistens auch gesund.

 

Haltung hat ja auch etwas mit der Mentalität zu tun: Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied der Deutschen im Vergleich zu anderen Ländern? Wieso sprühen wir nicht vor Lebenslust, strahlen und stürzen uns kopflos in jedes Abenteuer?

 

Zu viel Schwermut und Sparbuch, vermute ich. Natürlich wäre es toll, wir hätten die Leichtigkeit der Griechen, das Temperament der Italiener, die Präzision der Schweizer und die Ölvorkommen der Norweger. Aber es können nicht alle Deutschen so abenteuerlustig und so lebensfroh, so fleißig, gefühlvoll und attraktiv sein wie die .....

 

Letzte Frage: Was schätzen Sie an der Bundeskanzlerin Angela Merkel?

 

Tja, da werden Sie jetzt enttäuscht sein. Ich habe den größten Respekt vor Frauen, die in der Lage sind, unser Land durch komplizierte Zeiten zu führen. Ich bewundere Angela Merkel für ihren Gleichmut, für Ihre Uneitelkeit, für die Lässigkeit, mit der sie viele Männer, harmlose Männer, aber auch gefährliche und unterbelichtete Männer an sich abperlen lässt.

Meine Tochter hat mich neulich mal gefragt: Papa, können auch Männer Bundeskanzlerin werden? Da hab ich ihr geantwortet: Theoretisch schon, aber praktisch eher nicht. – Naja, es gibt für uns Männer immer mal wieder etwas Schweres zu tragen – und da will ich mich weiter nützlich machen.

 

Wir danken für das Gespräch.

 

Keine Ursache.